Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Mensch & Tier (dort beschlossen am: 12.09.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.09.2019, 16:17 |
T 3: Stallzwang ist ungeeignet
Antragstext
Stallzwang ist ungeeignet
(Wieder-)Herstellung einer rechts– und partei-konformen Positionierung zum
Umgang mit der Aviären Influenza/Abschaffung des Stallzwangs als Regelmaßnahme
bei Auftreten vereinzelter positiver HPAI-Befunde in Regionen, die weiter weg
liegen als 20 km
Antrag:
1.Landesverband und Fraktion bestätigen, dass die zwangsweise Aufstallung von
norma-lerweise mit Auslauf gehaltenen Vögeln keine geeignete Maßnahme dar
stellt, um die betreffende Geflügelhaltung oder andere vor der Einschleppung des
Aviäre Influenza Virus wirksam zu schützen.
2.Der Parteitag bekräftigt den Parteibeschluss von 2006 in seinen wesentlichen
Aussagen und Zielsetzungen.
3.Die Umsetzungsebene unserer Landespartei, namentlich die Fraktion, wirkt, zum
Bei-spiel bei der Ausgestaltung von Gesetzgebung, nach ihren Möglichkeiten
darauf hin, dass zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Wirtschafts-
Geflügel die zielge-rechte Veränderung der Lebens-Bedingungen der Vögel und
züchterischen Möglichkeiten zur Gesundheitssteigerung in den Schwerpunkt
gestellt werden.
Begründung
Seit über anderthalb Jahrzehnten befassen wir uns in Deutschland mit dem Phänomen der Aviären Influenza. B ́90/ GRÜNE in SH hatten bereits im Parteitagsbeschluss vom 2006 unter anderem formuliert: „Stallhaltung und Vogelgrippe-Seuchengeschehen stehen n i c h t in dem Zusammenhang, wie Geflügelwirtschaft und Teile von Wissenschaft und Verwaltung es gern hätten und darstellten....Tausende Tiere, die auf engstem Raum nebeneinander leben müssen, bieten ideale Vermehrungsmöglichkeiten für Krankheitserreger. Verschlimmernd sind sie einseitig auf Leistung statt Gesundheit und Vitalität gezüchtet, leiden unter sozialem und anderem Dauerstress. Sie können Krankheitserregern nicht den Widerstand entgegen setzen, wie es gesund gezüchtete und artgerecht gehaltene Tiere können.“ An diesen Erkenntnissen hat sich nichts Grundlegendes geändert. Die Schreibgruppe Aviäre Influenza der LAG Mensch und Tier formulierte es in ihrem Positionspapier zu Aviären Influenza im Juli 2017 so: „Aviäre Influenza (AI)-Viren sind weltweit in zahlreichen Stämmen vorhanden. Sie sind nicht ausmerzbar. .... Die Übertragungswege der AI-Viren können sein: Tier-zu-Tier, Tier-zu-Mensch und Mensch-zu-Tier, über Fäkalien-Magen-Darm-Trakt bzw. Luft-Atemwege Übertragung, über unbelebte Objekte (Behälter, Kleidung, Federflug) und über die Luft. AI-Viren mutieren ... besonders schnell unter Haltungsbedingungen mit schnellem Wirtswechsel (enge und große Bestände) .....In Wildvogelpopulationen erlischt das Seuchengeschehen relativ bald. ... Im Wattenmeer, wo die größte Wasservogelansammlung Europas ist, hat es noch nie einen HPAI-Ausbruch gegeben.
Da selbst geschlossene großmaßstäbliche Stallhaltungen keinen Schutz vor einer Infektion mit AI-Viren bieten, was durch zahlreiche Ausbrüche belegt ist, kann die Aufstallung nicht als Infektionsschutz betrachtet und eingesetzt werden. In der kommerziellen oder hobbymäßigen Freilandhaltung gibt es in der Regel keine Möglichkeiten, quarantäneähnliche Haltungsbedingungen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.Da die Aufstallungvon Freilandgeflügel keinen Schutz vor der Ausbreitung der Epidemie bieten, erhebliches Tierleid verursacht und zudem in großem Maßstab weder durchführbar noch kontrollierbar ist, besteht Zweifel an der formalen Rechtmäßigkeit der Stallpflicht als Verwaltungsakt. Die Haltung von Haushühnern, Hausenten, Hausgänsen und vergleichbaren Haustierarten erfolgt seit Jahrtausenden im Freien. Die Bewahrung der genetischen Rassenvielfalt erfordert auch in Zukunft die Freilandhaltung als reguläre Haltungsform.
Nun hat auch noch das Verwaltungsgericht Schwerin AZ 7 A 887/17 SN, am 16.1.2019 festgestellt, dass die so genannte Allgemeinverfügung vom 11.11.2016 rechtswidrig war. Zwar befasste sich das VG SN mit einem Verwaltungsakt in Meck-Pom; in SH hatten wir aber ein analoges Verwaltungsgeschehen. Der Allgemeinverfügung (M.-P.) lag ein Erlass des Landwirtschaftsministeriums vom 10.11.2016 zugrunde, in welchem die landesweite Aufstallung von Geflügel nach § 13 Geflügelpest-Verordnung angeordnet wurde. Die Anordnung diente vorgeblich dem Schutz der Geflügelbestände vor Einschleppung des Aviäre Influenza Virus H5N8 und stützte sich auf die Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institutes. Dieses Institut hatte sich auf den Fund eines einzelnen infizierten Wild-Vogels bezogen, dessen Fundort wie entfernt von den allermeisten zur Aufstallung angeordneten Vogelhaltungen befand. Auf den ebenselben Fund berief sich SH in seinem Verwaltungsakt, das heißt, der Fundort war sogar noch weiterentfernt. Auf eine eigenständige Risikobewertung verzichteten die Behörden. Das Verwaltungsgericht SN konnte indes das behauptete Risiko nicht nachvollziehen, und schon gar nicht eine juristische Grundlage für die generalisierte bundeslandweite Stallzwang-Anordnung erkennen. Die Allgemeinverfügung war nach Auffassung des Gerichts schon in materieller Hinsicht rechtswidrig. Damit hat das Verwaltungsgericht Schwerin bestätigt, was B ́90/Grüne in SH im Grundsatz bereits in 2006 festgestellt hatten und was die Arbeitsgruppe Aviäre-Influenza der LAG Mensch und Tier im Detail in 2017 ausgearbeitet hatte.
Der Landesverband Schleswig-Holstein von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tut gut daran, jetzt und hier die richtigen politischen Zeichen zu setzen: Stallzwang zur Verhinderung von Infektionen mit Aviäre Influenza ist kein wirksames Mittel, schon gar nicht ein verhältnismäßiges,und insgesamt also kein geeignetes. Sondern Stallzwang für Vogelhaltungen, deren Individuen oder Produkte keine Kontakte zu sowieso geschlossene Haltungen haben können und die keinen Zugang zum Markt haben, ist kontraindiziert, da Krankheiten, einschließlich menschengefährdender Infektionen, statt dessen gefördert werden und ohne vernünftigen Grund Leid erzeugt wird. Insofern gebieten schon Art. 20 a GG und Art. 11 der Landesverfassung SH in Verbindung mit § 1 TSCHG eine klare Absage an solche Maßnahmen. Es gilt, statt dessen endlich ernsthaft Maßnahmen zu fördern, die der Aufrechterhaltung der Gesundheit unserer Vögel dienen.
Da die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und rechtlichen Überprüfungen noch nicht juristisch gefestigt auf Bundes-und Landesebene angekommen ist, und da Wiederholungsgefahr droht, ist ein solcher Parteitagbeschluss jetzt und dringend geboten.
Unterstützer*innen
Zustimmung
- Hasso Seibert
- Dennis Edelmann
- Iris Westenfelder
- Stephan Wiese
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